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Channel: Erlebnisse – Rapunzel will raus
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Nach der Langzeitreise: Vom Heimkommen und Bleiben

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Hier auf dem Blog ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Das hat viele Gründe und gleichzeitig auch kein wirklicher. Ich habe jede Menge Artikel angefangen zu schreiben, habe mich unter Druck gesetzt, endlich wieder etwas zu veröffentlichen und nur, um es schlussendlich doch sein zu lassen.

Mein Leben ist gerade total im Umbruch und meine Gedanken so flatterhaft, dass ich von einem Thema zum nächsten springe und mich auf nichts richtig konzentrieren kann. Dabei möchte ich dir noch mehr von Belgien erzählen, von Florida, von Nicaragua, vom Unterwegs sein. Aber ich bin gerade Umgezogen, habe einen neuen Job angefangen und auch sonst sind meine Gedanken ganz woanders. Deshalb erzähle ich dir jetzt erstmal vom Heimkommen, was ich eigentlich auch schon lange vorhatte.

Genau so spannend es ist auf eine lange Reise mit unbestimmtem Ziel aufzubrechen, ist auch das Nachhause kommen. Ich habe das ganze Spiel jetzt doch schon einige Male durchgemacht und immer ist es wieder anders rausgekommen. Einige Dinge sind unbestreitbar super schön, wie natürlich Familie und Freunde wieder zu sehen. Das ist immer wieder toll und keine Frage, ich freu mich jedes Mal extrem darauf. Aber darum geht es hier jetzt auch nicht. Erzählen will ich dir von was anderem.

Während ich nach sieben Monaten in Südamerika an einem Donnerstag zurückgekommen bin und am Montag darauf gleich ein Praktikum angefangen habe, war die Rückkehr in die Schweiz kein grosses Thema. Als ich jedoch nach vier Monaten Nepal nach Hause musste, konnte ich mich kaum einkriegen vor lauter Trübsal und Kummer. Je nach Voraussetzungen, kann eine Rückkehr völlig unterschiedlich ausfallen.

Jetzt, nach anderthalb Jahren auf Reise, ohne Verpflichtungen, ohne Plan und Ziel, ist es nochmals was ganz anderes. Eine Freundin hat mich als ich Heimgekommen bin gefragt, wie es denn sein, die Rückkehr. Und ich konnte ihr irgendwie nicht richtig antworten. Es ging mir gut, ich hab mich gefreut und trotzdem war da diese Leere. Dieses Gefühl konnte ich ihr nicht erklären. Ich habs versucht, aber mehr als verständnislose Blicke habe ich nicht gekriegt. Das ist aber auch kein Wunder und ein Verstehen dieser Situation erwarte ich auch von niemandem. Das versteht wirklich nur jemand, der diese Situation selber erlebt hat.

All die verrückten Erlebnisse! Durchzechte Nächte auf karibischen Inseln, chinesische Fussmassagen um vier Uhr morgens, australische Verbrecher in Kambodscha oder in Zeitungspapier gewickelte Hühner auf Märkten im Dschungel in Borneo, das interessierte Zuhause niemanden wirklich.

Da driften Welten auseinander und was für mich die letzten zwei Jahre Lebensinhalt war, ist in der Schweiz höchstens eine mehr oder weniger unterhaltsame Anekdote zu später Stunde. Das macht aber nichts. Umgekehrt ist es ja nicht anders. Wer gerade Stress im Job hatte, heiratete oder ein Haus gekauft hat, hatte für mich auch nicht denselben Stellenwert. So nimmt jeder das Leben des anderen zur Kenntnis, lebt aber in einer gänzlich anderen Welt. Das ist kein Problem, solange man sich das bewusst ist und als Tatsache und nicht als Problem wahrnimmt.

Die beste Entscheidung war jedenfalls, etwas früher als nötig nach Hause zu kommen. Pünktlich zum Frühlingsanfang bin ich in die Schweiz zurückgereist. Ich wusste, ich wollte mich wieder in der Schweiz niederlassen, einen tollen Job mit einem guten Team finden und wieder etwas mehr Verbindlichkeit in mein Leben bringen.

Um nicht den nächstbesten Job annehmen zu müssen und irgendwo reinzurutschen, wo ich gar nicht hingehörte, habe ich mir nochmals ein halbes Jahr Zeit genommen. Ich bin viel in Europa rumgereist, habe die Schweiz erkundet und schätzen gelernt. Ich habe den wunderschönen Sommer in vollen Zügen genossen. Dadurch konnte ich mir die für mich passende Stelle raussuchen, eine WG finden die passt und mein Leben in Europa langsam aber sicher wieder aufnehmen.

Während diesem halben Jahr habe ich wahrscheinlich das ganze Spektrum an Gefühlen erlebt, die eine Heimkehr so mit sich bringt. Die meiste Zeit habe ich es genossen. Und zwar genau den Luxus, mein Leben von Grund auf so gestalten zu können, wie ich mir das vorstelle. Ich hatte noch etwas an Kisten im Keller meiner Mama stehen, ansonsten ein paar Jeans, einen Pulli und ein paar T-Shirts.

Kannst du dir vorstellen wie toll es ist, sich nochmals total neu zu erfinden? Na ja, nicht neu erfinden in dem Sinn. Aber es ist wie ein Neubeginn. Keine Wohnung, keinen Job, nichts Überflüssiges und keinen Ballast zu haben. Dieses Gefühl ist tatsächlich unbezahlbar und eine tolle Erfahrung. Wahrscheinlich eine der besten, die ich je hatte.

In dieser Situation bleibt dann einfach noch das übrig, was wirklich zählt. Das gilt für Gefühle wie Menschen gleichermassen, denn nicht alle können damit umgehen.

Wenn Menschen sich über Status, Besitz und Job definieren, kann ein Lebensstil wie meiner durchaus zum Bruch von Freundschaften führen. Aber daran erkennst du dann auch, welche Menschen tatsächlich zu dir stehen und dich deinetwegen mögen und nicht dadurch was du hast oder gegen Aussen darstellst.

Ab und zu hat es dann doch schwierige Momente gegeben. Das sind die, wo ich eine fast herzzerreissende Sehnsucht nach der Ferne hatte. Wo ich dagesessen bin und ich mich nach meinem Backpack gesehnt habe. Der Wunsch, meinen Rucksack zu packen und nur das zu besitzen was ich auf dem Rücken tragen kann. Einfach loszulaufen, nicht zu wissen, welches Abenteuer hinter der nächsten Kurve auf mich wartet. Welchen crazy Menschen ich dort begegnen werde und in was für lächerliche Situationen ich mich begeben könnte. Wegzulaufen vor den hausgemachten Schweizer Problemen, dem Gejammer über das Wetter und den teils unglaublich lächerlichen Problemen der Welt.

Aber das ist jetzt nur ein jämmerlicher Versuch zu beschreiben, wie sich diese Momente anfühlen. Diese Gefühle gehen noch viel tiefer und sind weit mehr als nur Fernweh. Mittlerweile habe ich diese Momente aber akzeptiert und begriffen, dass sie ein Teil von mir sind und mich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang begleiten werden. Ich habe sie akzeptiert als etwas schönes und etwas, was zu mir gehört. Als eine Sehnsucht, welche ich geniessen kann und die nur mir ganz alleine gehört.

Fehlt in diesem Artikel wieder mal der rote Faden? Kann schon sein. Ich hätte dir jetzt auch erzählen können, dass ich es blöd finde, wieder zu Hause zu sein, dass mir die Schweizer Mentalität auf den Geist und das Wetter auf den Sack geht. Aber das mache ich nicht. Weil es nicht stimmt.

Die Schweiz nervt mich genau so viel oder wenig, wie alle anderen Länder auch. Es ist nirgendwo perfekt, Idioten gibts überall und schlechtes Wetter auch. Genauso wie viele tolle Menschen. Ausserdem habe ich gelernt, aus jeder Situation das Beste zu machen. Nein, nicht nur das. Eher jede Situation zu geniessen. Denn etwas ist ganz tief in mir verankert, etwas hat mich meine Weltreise gelernt. Und zwar, dass das Leben schön ist, dass ich unglaublich privilegiert bin und ich dankbar sein sollte. Und genau das bin ich auch.

Jetzt sitze ich in Bern in einer WG, die ich mit zwei tollen Mädels teile. Ich freue mich auf den nächsten Arbeitstag meines neuen Jobs, der mir unglaublich gut gefällt. Ich freue mich darüber, mein Leben so gestalten zu können, wie es mir gefällt.

Ich trage die Erinnerungen an eine unglaublich schöne Zeit in mir, ebenso wie das Wissen, dass ich jederzeit wieder gehen könnte. Ich habe alle Freiheiten der Welt. Jetzt warten aber erstmals die Schweiz, mein neues Zuhause und viele spannende Trips von hier aus auf mich.

Bist du auch schon mal von einer langen Reise zurückgekehrt? Wie war das für dich?

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